Im Jahre 1916 wurde im spanischen Barcelona das Parfümunternehmen Myrurgia gegründet, das heute im ebenfalls spanischen Puig-Konzern aufgegangen ist. Der dort angestellte Rechtsanwalt Javier Serra plante seit 1921, ein eigenes Dufthaus zu gründen und setzte diesen Plan im Jahre 1932, ebenfalls in Barcelona, in die Tat um. Das erste 1932 lancierte Parfüm des neuen Duftunternehmens Dana, TABU, geschaffen vom großen Jean Carles, dem "Beethoven der Parfümerie" (er war im Alter anosmisch und kreierte dennoch neue Düfte) und späteren Erfinder auch von "Miss Dior", war möglicherweise auch das erfolgreichste.
Warum Serra elf Jahre vom Plan zur Realisierung gebraucht hat, ergibt sich nicht aus den zahlreichen Internetquellen, die ich für meinen Bericht ausgewertet habe, aber ein Teil wird darauf verwendet worden sein, sich den Namen Dana auszudenken. Denn der geschäftstüchtige Jurist soll dabei so vorgegangen sein, wie heute große Markenerfindungsspezialisten vorgehen, wenn ein neues Getränk oder Automodell auf den Markt geworfen wird: Er suchte einen Namen, der kurz ist, schön klingt, in keiner Sprache der Welt so etwas wie "Sackgesicht" oder "Flohstich" bedeutet und in möglichst vielen Sprachen positiv konnotiert ist. Da "Danae" (im Spanischen "Dana") eine sehr positiv (und erotisch) besetzte Figur aus der griechischen Mythologie ist (wie Fans von Wolf von Niebelschütz wissen), im Baskischen "Erfolg" bedeutet, allen Buddhisten dieser Welt über den entsprechenden Sanskrit-Begriff als die erste der buddhistischen Paramitas (Kardinaltugenden), nämlich Freigebigkeit bzw. Barmherzigkeit bekannt ist und auch noch in Afghanistan, im alten Ägypten und vielerorts sonst positive Bedeutungen aufwies oder aufweist, war mit Dana die Sache dann endlich geritzt.
Noch im Laufe der dreißiger Jahre (möglicheweise im Kontext des spanischen Bürgerkrieges) siedelte die Dana-Zentrale in die rue de la Paix in Paris um. Ähnlich wie so manchen politischen Flüchtling der Zeit holte das Unheil auch die neue Firmenzentrale ein, und so wurde der Sitz 1940 erneut verlegt: diesmal nach New York. 1995 wurde die in Schwierigkeiten geratene Marke von Renaissance Cosmetics aufgekauft und ging nach einem raschen Wechsel, der mit einer Vertiefung der Krise einherging, 1999 an das Firmenimperium von Lynn Tilton, einer Managerin, deren Konzept es ist, untergehende amerikanische Firmen zu stabilisieren und sich als Retterin amerikanischer Jobs feiern zu lassen. Seither also werden die Rechte an der Marke Dana und zahlreichen ihrer Einzeldüfte von der zu diesem Zweck geschaffenen "Dana Classic Fragrances Inc." gehalten.
Wie die offizielle Internetseite von Dana offenlegt, ist English Leather ursprünglich kein Duft dieses Hauses. Er wurde nämlich, so teilt es diese Seite sinngemäß mit, "in den 30-er Jahren als Russian Leather von der Wiener Duftfirma MEM herausgegeben und 1949, weil der Name im Kalten Krieg in Amerika nicht verkaufsfördernd gewesen wäre, in English Leather umbenannt".
Über MEM verraten uns diverse Quellen, u.a. die Parfumo-Datenbank, dass die Firma 1883 in Wien als "M.E. Meyer" gegründet wurde und für ihre Rasierklingen (die klassischen Klingen für Rasierhobel) sowie für einfache Colognes und Rasierwässer wie das damals wohl legendäre "Wiener Kölnisch" berühmt war. Auch M.E. Meyer, später MEM, soll, aber nicht 1940, sondern erst "Ende der 40-er" in die USA verlagert und, aber nicht 1995, sondern 1996, von Renaissance Cosmetics aufgekauft worden sein. Dann verlieren sich die Spuren. Es ist anzunehmen, dass Renaissance seine beiden Töchter "MEM" und "Dana" verschmolzen und Rezept und Markenrechte von "Russian Leather / English Leather" auf Dana übertragen hat.
Die Parfumo-Datenbank kennt kein "Russisch Leder" von M.E. Meyer, wohl aber ein "Juchtenleder Eau de Cologne" von dieser Firma (mit Zusatz: "wird nicht mehr hergestellt" und unkommentiert). Da "Russisch Leder" und "Juchtenleder" in der Parfümerie synonym verwendet wird, gehe ich stark davon aus, dass das auf der Dana-Internetseite genannte Ur-English-Leather namens "Russian Leather" kein anderes ist als das "Juchtenleder EdC" - wahrscheinlich indes inzwischen reformuliert.
Angesichts dieser österreichisch-spanischen Mischhistorie wundert es nicht, dass dieser Duft für mich exzellent in die von mir so genannte "habsburgisch-braune" Duftwelt passt, mit den ledrigen, seifigen, holzigen Noten, warm, weich, ein bisschen süßlich manchmal, die für spanische und österreichische Herrendüfte typisch sind. Zugleich passt der sehr rasierwassernahe Duft (er wird auch als After-Shave-Variante angeboten) aber nach meiner Überzeugung auch sehr gut in die USA mit ihrem oft etwas eigenen süßlichen Barbershop-Geschmack bei Colognes.
Den Duft werde ich nie so detailliert analysieren können wie DrGourmand, der den gesamten Lederzyklus filigran nachgezeichnet hat. Ich beschränke mich auf den Hinweis, dass mich eine weiche, volle, leicht süße braune Würz-Zitrik begrüßt, sehr klassisch männlich, zugleich Herrenfriseur und Zitronat/Orangeat/Kuchengewürze. Eine waldig-küchenkräutergrüne Nebennote meine ich auch zu spüren. Später treten ledrige, warm-weiche Noten hinzu, nach etwa 45 Minuten zieht sich die Süße zurück und es wird dreckiger und herber. Etwa im Bereich 60 bis 90 Minuten gefällt mir der Duft am wenigsten, er ist jetzt holzig-ledrig und kräuterig, wieder leicht süßlich und leicht würzig, aber irgendwie bin ich mir nicht sicher, ob er hier wirklich rund läuft. Schlecht ist er aber nicht, und außerdem schon so schwach, dass es auch nicht weiter stört. Nach zwei Stunden ist er sehr schwach, wieder gefälliger, ich meine so etwas wie eine Pfirsischnote wahrzunehmen, und nach drei Stunden ist Sense.
Die hier auf Parfumo wiedergegebene Duftpyramide entspricht den offiziellen Angaben auf der Dana-Homepage, wird also wohl stimmen. Mitgeteilt sei aber, dass "Basenotes" eine andere Pyramide angibt, die sehr (!) viel mehr zu meinem subjektiven Dufteindruck passt (und näher am klassischen Farina-Cologne liegt): K: Bergamotte, Zitrone, Petitgrain, Lavendel, Rosmarin. H: Rose, Veilchenwurzel, Honig, Farn [da steht "ferm", aber das dürfte ein Tippfehler sein], B: Zeder, Leder, Tonka, Vetiver, Moschus.
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Und auch hier sei wieder ein Duft nachgetragen, den ich nicht mehr in dieser Reihe kommentieren kann, was schade ist, weil er genau an dieser Stelle exzellent passen würde - ich habe ihn aber schon vor Beginn der Reihe besprochen. Es ist
Colonialwaren VIIIa: Varon Dandy
Nachdem ich von Konsalik freundlicherweise eine Probe bekommen hatte, habe ich mir die Literflasche (!!!) vom spanischen Hersteller bestellt, für einen Appel und ein Ei (der Liter kostet so viel wie 100 ml, und 100 ml kosten fast nix). Ein toller Duft, und ebenfalls habsburgisch-braun. Konsalik hat ihn als kleinen Bruder von Knize Ten beschrieben, und da hat er recht. Von der Literpulle, die gemäß Paralleltest genauso riecht wie Konsaliks Probe, habe ich vor ca. 2 Wochen ein Foto hier eingestellt.